Im Prozess um den Überfall auf zwei Journalisten in Fretterode kommen immer mehr Ermittlungspannen zum Vorschein. Jetzt ermittelt die Polizei auch intern gegen die eingesetzten Beamten.

Dreieinhalb Jahre liegt der Angriff auf zwei Journalisten zurück. Jetzt muss sich die Abteilung „Interne Ermittlung“ der Thüringer Polizei noch einmal mit dem Fall befassen.

Ein Sprecher des Thüringer Innenministeriums bestätigt auf Anfrage dieser Zeitung: „Die Internen Ermittler wurden mit der Prüfung beauftragt.“ Die Vorwürfe gegen die Beamten der Polizeiinspektion in Heiligenstadt würden sehr ernst genommen.

Darum geht es: Am vergangenen Montag sagten mehrere Polizisten im Prozess gegen zwei Männer aus, die der rechtsextremen Szene im Eichsfeld und Südniedersachsen zuzuordnen sind und aus dem engsten Umfeld des in Fretterode wohnhaften NPD-Funktionärs Torsten Heise stammen. Die beiden Männer sollen, so steht es in der Anklageschrift, zwei Journalisten erst mit dem Auto gejagt, in einen Straßengraben gedrängt und dann brutal attackiert haben. Eines der Opfer erlitt eine schwere Kopfverletzung, das andere einen Stich mit einem Messer in den Oberschenkel.

Anwalt der Nebenklage: Ermittlungsarbeit grenze an Arbeitsverweigerung

Einer der Beamten, die am Montag ausgesagt haben, soll sich später auf dem Gerichtsflur beim Verteidiger von einem der Angeklagten erkundigt haben, ob das, was er ausgesagt habe, in Ordnung gewesen sei.

Beobachtet hat die Szene Rechtsanwalt Sven Adam, der als Nebenklagevertreter an dem Prozess beteiligt ist. Adam kritisiert das, aber vor allem die aus seiner Sicht schlechte Ermittlungsarbeit der Polizei. Diese grenze an Arbeitsverweigerung und ist „einzig mit schlechter Ausbildung nicht mehr zu erklären“. So hätten die Beamten als Zeugen ausgesagt, dass sie fast zwei Stunden das Tatfahrzeug auf dem Gelände des NPD-Funktionärs Heise zwar gesehen hätten, aber hier mehrere Personen Dinge hineinlegen oder herausnehmen konnten.

Auch eine Personalienfeststellung sei nicht erfolgt. Die Beamten hätten angegeben, auf eine Durchsuchungsanweisung gewartet zu haben. Adam sagt: „Erst in dem Moment, als das Landeskriminalamt in Erfurt die Ermittlungen übernommen hat, wurde es gut.“ Allerdings: In Polizeikreisen zeigt man sich überrascht von den Äußerungen vor Gericht. So erfuhr diese Zeitung, dass die Beamten seinerzeit vor Ort sehr wohl die Anweisung gehabt haben sollen, nach Tatwerkzeugen zu suchen, „jeden Stein umzudrehen“.

Beamter holt sich Bestätigung von Anwalt des Angeklagten

Dass nun auch noch einer der Beamten sich in der Prozesspause offenbar Bestätigung bei dem Anwalt von einem der Angeklagten geholt habe, lasse „unangenehm viel Raum für Spekulationen hinsichtlich der Gründe für dieses Versagen“, macht Adam deutlich. Er räumt auf Nachfrage allerdings auch ein, dass er nicht mit Sicherheit sagen könne, ob zwischen dem Polizisten und dem Anwalt beziehungsweise seinem Mandant eine Beziehung bestehe oder ob dieser Beamte sich lediglich habe Selbstbestätigung „bei einem mit einer Robe“ habe holen wollen.

Der Polizeiobermeister arbeitet inzwischen nicht mehr in der Polizeiinspektion im Eichsfeld. Er wechselte kürzlich zur Bundespolizei nach Duderstadt. Ehemalige Kollegen von ihm, mit denen diese Zeitung sprechen konnte, untermauern eher die These, dass der Beamte sich habe Selbstbestätigung holen wollen. Ein Polizist erklärt, er habe seinen Kollegen immer als „sehr weltoffen“ kennen gelernt.

Weitere Ermittlungspannen könnten ans Tageslicht kommen

Die Verhandlung ist noch bis Ende Dezember angesetzt. Und es könnten weitere Ermittlungspannen ans Tageslicht kommen. So soll ein Beamter zwar im Auto der Tatverdächtigen ein Messer gefunden und dessen Vorhandensein auch dokumentiert haben — allerdings erfolgte offenbar keine Sicherstellung dieser möglichen Tatwaffe zu einem Zeitpunkt, als bereits klar war, dass ein Opfer eine Stichverletzung erlitten hatte.

Am kommenden Montag wird der Prozess in Mühlhausen zunächst mit der Vernehmung eines Polizeibeamten fortgesetzt. Der soll Aussagen darüber treffen, inwiefern Metadaten von Fotos manipuliert werden können.