Nach Angriff von Neonazis auf Journalisten in Fretterode vor zwei Jahren: Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) sieht Justiz nun in der Verantwortung. Er wünscht sich, das es nun schnell zu Verurteilungen mit „harten Urteilen“ kommt.

Fretterode / Göttingen

Der Thüringer Innenminister Georg Maier (SPD) wünscht sich, dass es in dem Fall der beiden Göttinger Journalisten, die vor zwei Jahren von Neonazis aus dem Umfeld von NPD-Kader Thorsten Heise in Fretterode angegriffen und schwer verletzt wurden, „schnell zu Verurteilungen“ kommt. „Zu harten Urteilen gerne, um für die Zukunft sicherzustellen, dass so etwas nicht noch einmal passiert“, sagte Maier am Donnerstag im „InstaLive“-Talk mit dem Thüringer Landtagsabgeordneten Lutz Liebscher (SPD).

Maier räumte ein, dass sich das Verfahren „ein bisschen“ ziehe. Der aufgeklärte Vorfall liege nun in den Händen der Justiz. Staatsanwaltschaft und Gerichte seien in der Verantwortung die entsprechenden Verfahren einzuleiten. Die Staatsanwaltschaft sei inzwischen tätig geworden.

Gegen die beiden mutmaßlichen Täter hatte die Staatsanwaltschaft Mühlhausen bereits im Februar 2019 Anklage erhoben. Die Vorwürfe: schwerer gemeinsamer Raub, gefährliche Körperverletzung und Sachbeschädigung. Die Eröffnung des Gerichtsverfahrens vor dem Landgericht in Mühlhausen ist noch nicht terminiert.

Heises Anwesen in Fretterode bezeichnete Maier als einen von mehreren „Hotspots“ in Thüringen, in denen Neonazis agieren. Neonazi-Treffen dort in Heises privaten, geschlossenen Räumen zu verhindern, sei schwierig. „Versammlungsrecht ist ein Grundrecht“, sagte Maier. „Was wir tun können, ist, dafür Sorge zu tragen, dass die Polizei präsent ist. Dass es nicht auch im Umfeld zu Straftaten kommt, zum Beispiel Propagandadelikte oder eben auch zu Übergriffen auf Journalisten.“ Pressefreiheit müsse sichergestellt werden.

Die beiden damals 18 und 25 Jahre alten Beschuldigten sollen Ende April 2018 zwei Journalisten aus Göttingen, die das Anwesen des Thüringer NPD-Funktionärs Heise in Fretterode zu Recherchezwecken fotografiert und gefilmt hatten, verfolgt und angegriffen haben. Nach einer Verfolgungsjagd durch Fretterode und Gerbershausen mussten die beiden Fotografen auf der Landstraße am Ortseingang von Hohengandern ihren BMW stoppen.

Die maskierten Männer sollen sofort zum Angriff übergegangen sein und mit Reizgas, Baseballschläger, Schraubenschlüssel und einem Messer bewaffnet die Fotografen und deren Auto attackiert haben. Einer der beiden Journalisten erlitt eine Stichverletzung am Bein, der andere einen Bruch des Stirnknochens am Kopf durch einen Schlag mit einem Schraubenschlüssel. Zudem wurde der BMW der Fotojournalisten erheblich beschädigt. Außerdem raubten sie deren Fotoausrüstung.

Die Thüringer Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Linke) betonte zum zweiten Jahrestag des Angriffs: „Die fehlende strafrechtliche Verfolgung von militanten Neonazis sendet ein fatales Signal an die extrem rechte Szene. Selbst bei schweren Straftaten müssen die Täter nicht mit juristischen Konsequenzen rechnen.“ Gerade bei einer so schweren Straftat müsse der Bezug zwischen Tat und Reaktion erhalten bleiben. Renner fordert einen zügigen Beginn des Gerichtsverfahrens.

Kritik an Ermittlungsbehörden

Nicht nur aus Reihen der Thüringer Politik gibt es Kritik an der Justiz in dem Fall: Die Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen (EZRA) hatte schon kurz nach dem Angriff vor zwei Jahren die inkonsequente Strafverfolgung durch die Ermittlungsbehörden kritisiert. Entgegen der üblichen Praxis habe die Staatsanwaltschaft in dem Fall keinen Haftbefehl beantragt, hieß es damals in einer Mitteilung. Und das trotz Zeugenaussagen, Identifizierungen durch die Betroffenen und Fotos, die vom Angriff vorlägen, kritisierte der Verein in Trägerschaft der Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Die Mühlhäuser Staatsanwaltschaft wies die Vorwürfe zurück. Es habe keine nachvollziehbaren Haftgründe gegeben. Zwei Jahre später fragt EZRA auf Twitter: „Wann wird der brutale Angriff auf zwei Journalisten durch bekannte Neonazis in Fretterode endlich verhandelt?!“

Das Gerichtsverfahren ist immer noch nicht terminiert. Eine Sprecherin nannte Anfang Mai den „Spätsommer“ als möglichen Beginn. Sie führte die immer noch nicht wieder besetzte Stelle für den Vorsitz der 3. Strafkammer, vor der verhandelt werden soll, als Grund für die Verzögerung an.

Quelle: https://www.goettinger-tageblatt.de/Die-Region/Obereichsfeld/Innenminister-Maier-fuer-harte-Urteile-nach-Angriff-von-Neonazis-auf-Journalisten-in-Fretterode-Thueringen