Die Straftaten von Neonazis und anderen Rechten werden immer mehr. Doch bei der Strafverfolgung hakt es immer mal wieder. Das hat verheerende Folgen, denn so wird die rechtsextremistische Szene gestärkt.

Die verheerenden Taten des NSU, die Ermordung von Walter Lübcke oder der Terror gegen die jüdische Gemeinde in Halle – nach solch spektakulären rechtsextremistischen Taten ist die Reaktion der Politik immer ganz eindeutig: „Beschämend. Nicht zu dulden. Der Rechtsstaat muss handeln.“ Doch bei den Vorfällen alltäglicher rechtsextremistischer Gewalt, die immer häufiger den gesellschaftlichen Frieden bedrohen, hakt es mit den konsequenten Handlungen des Staates – drei Beispiele:

Angriff auf Journalisten in Frettenrode

Junge Neo-Nazis aus Thüringen haben im April 2018 zwei Foto-Journalisten angegriffen – mit Messer und Schraubenschlüssel. Ein Opfer erleidet einen Stich, der andere eine schwere Schädelfraktur. „Es ist mir nicht erklärlich, warum die tatverdächtigen Neonazis, nicht in Untersuchungshaft genommen wurden“, sagt der Rechtsextremismus-Experte Matthias Quent. „Das spricht dafür, dass hier der Staat mit Samthandschuhen mit brutalen Neonazi-Schlägern umgeht.“

Angriff auf Flüchtlinge in Halle

Vor kurzem hat es vor dem Amtsgericht Halle eine Verhandlung wegen gefährlicher Körperverletzung gegen Flüchtlinge gegeben. Der Vorfall liegt bereits 4,5 Jahre zurück. Der mutmaßliche Haupttäter ist bis heute nicht auffindbar, es sollen zwei Mittäter angeklagt sein. Die Opfer sind von einer großen Gruppe angetrunkener Fußball-Hooligans rassistisch beleidigt und dann verprügelt worden.

„Der Prozess zeigt leider, dass Betroffene von rechter und rassistischer Gewalt immer noch Statisten sind. Sie werden zweimal zum Opfer gemacht“, sagt Antja Arndt von der Mobilen Opferberatung Halle. „Einmal durch die Täter und dann durch einen Staat.“ Vom Gericht heißt es, es habe bei diesem Verfahren Terminprobleme gegeben. Ein Grund dafür könnte auch die permanente Überlastung der Justiz sein.

Nazis verprügeln Punker

Im thüringischen Saalfeld sind am 1. Mai 2015 etwa 80 Neonazis durch die Stadt zu einer Demo marschiert. Obwohl mehrere Hundertschaften der Polizei vor Ort sind, begleiten die Beamten diesen Tross nicht. Die Nazis verprügeln eine kleine Gruppe Punker. Mehrere Punks werden verletzt.

Dann kommt die Polizei, aber die Personalien der mutmaßliche Täter werden nicht festgestellt. Reporter des MDR identifizieren später 40 Neonazis. Auch Matthias Quent war zufällig Augenzeuge des Vorfalls, auch er hat das Geschehen dokumentiert und sagt: „Das ist ein Armutszeugnis.“ Auch weil bis heute – 4,5 Jahre später – gerade einmal zwei Täter verurteilt sind.

Warum geschieht das?

Bei dem Angriff in Fretterode auf die beiden Journalisten haben die Täter einem Opfer mit einem großen Schraubenschlüssel frontal auf die Stirn geschlagen. Der Täter habe in Kauf genommen, „dass der Mensch dadurch sterben könnte“, sagt Opferanwalt Sven Adam.

Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen sieht jedoch keinen versuchten Totschlag. Dafür bestehe, kein hinreichender Verdacht, heißt es. Die Anklage lautet bis jetzt nur auf schweren Raub und gefährliche Körperverletzung. Noch gravierender aber: Der politische Kontext dieses Angriffs auf zwei Journalisten ist komplett ausgeblendet. Beide Beschuldigte gehören zur organisierten Neonazi-Szene, deren Treffen die beiden Reporter ganz legal dokumentieren wollten. 

Dabei ist „nach dem NSU-Komplex ein Strafverschärfungsparagraf in das Strafgesetzbuch aufgenommen wurden“, sagt Experte Quent. So sollen menschenverachtende, rechtsextreme Taten besonders scharf bestraft werden, weil diese die Demokratie angreifen. „Wenn aber in einer Anklageschrift das politische Motiv, wie hier im Fall von Fretterode, überhaupt nicht thematisiert wird, dann ist das erstens eine Entpolitisierung des Problems des Rechtsextremismus. Und zweitens verhindert es eine angemessene Strafbemessung.“

Quelle mit Video: https://www.mdr.de/nachrichten/politik/gesellschaft/rechtsextreme-gewalttaten-unzureichende-strafverfolgung-100.html