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In Mühlhausen hat der Prozess gegen zwei Rechtsextremisten begonnen, die 2018 in Fretterode zwei Journalisten schwer verletzt und ausgeraubt haben sollen. Zum Auftakt äußerten sich die beiden Angeklagten.

Mehr als drei Jahre nach dem Überfall auf zwei Journalisten in Fretterode in Nordthüringen hat in Mühlhausen der Prozess gegen die beiden mutmaßlichen Angreifer begonnen. Angeklagt sind zwei Rechtsextreme im Alter von 22 und 27 Jahren. Verhandelt wird seit Dienstag vor dem Landgericht Mühlhausen – aus Platzgründen aber nicht im Gerichtsgebäude, sondern in einem unweit gelegenen Veranstaltungsaal.

Bei Recherche im Wohnort von Neonazi Heise angegriffen

Die Angeklagten sollen die Journalisten bei Recherchen im Wohnort des Neonazis und damaligen NPD-Landesvorsitzenden Thorsten Heise mit einem Schraubenschlüssel und einem Messer angegriffen sowie mit dem Auto verfolgt haben. Zudem wird ihnen vorgeworfen, die Fotoausrüstung der Journalisten geraubt und deren Fahrzeug zerstört zu haben. Beide Opfer wurden bei dem Angriff schwer verletzt. Die mutmaßlichen Angreifer sind wegen gemeinschaftlichen schwerer Raubes, gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung angeklagt.

Jüngerer Angeklagter will seinerseits angegriffen worden sein

Zum Prozessauftakt wurde die Anklage verlesen, danach trugen die Anwälte der Angeklagten Erklärungen ihrer Mandanten vor. Der Jüngere ließ erklären, er sei gegen seinen Willen fotografiert worden. Er habe die Fotografen mit dem Auto verfolgt, um seine Rechte am eigenen Bild durchzusetzen. Später hätten ihn die Journalisten „fast umgefahren“ und mit einem Baseballschläger angegriffen. Deshalb habe er zum Reizgas gegriffen.

Der ältere Angeklagte versuchte, die Darstellung des Mitangeklagten zu untermauern. Er ließ seinen Anwalt erklären, er habe während der Auseinandersetzung kein Messer gesehen. Der 27-Jährige behauptete, dass er vor allem als Fahrer des Verfolgerautos beteiligt gewesen sei.

Opfer verlassen aus Protest den Saal

Die Opfer, die im Prozess als Nebenkläger auftreten, verließen den Saal, als der Anwalt des jüngeren Angeklagten dessen Erklärung verlas. Damit wollten die beiden Opfer offensichtlich gegen die aus ihrer Sicht wahrheitswidrige Darstellung protestieren. Nach dem Verlesen der Einlassungen wurde die Verhandlung auf Donnerstag vertagt.

Opferberatung Ezra kritisiert Anklage

Die Thüringer Opferberatung Ezra kritisierte im Vorfeld die Anklage gegen die beiden Rechtsextremisten. Es sei ein Skandal, dass der brutale Angriff, den die Betroffenen nur durch Glück überlebt hätten, nicht als versuchtes Tötungsdelikt eingeordnet werde.

Älterer Angeklagter an Störaktion gegen MDR-Kamerateam beteiligt

Der ältere der beiden Angeklagten war zeitweise Vizevorsitzender der rechtsextremen NPD in Niedersachsen. 2017 war er beim sogenannten Eichsfeldtag der NPD in Leinefelde an einer Störaktion gegen ein MDR-Kamerateam beteiligt. Er und weitere Ordner der Veranstaltung hielten ein „Lügenpresse“-Transparent vor die Kamera, so dass das Team die Dreharbeiten einstellen und das Gelände verlassen musste. Der Deutsche Journalistenverband hatte damals auch den Polizeieinsatz kritisiert und einen besseren Schutz von Medienvertretern eingefordert.

Jüngerer Angeklagter mit engen Kontakten in internationale Neonaziszene

Der jüngere Angeklagte, Sohn von Thorsten Heise, pflegt nach Recherchen des Fernsehmagazins „Report München“ des Bayerischen Rundfunks enge Kontakte zu Aktivisten des in Deutschland verbotenen internationalen Neonazi-Netzwerks „Blood & Honour“. Zeitweise lebte und arbeitete er einem „Report München“-Bericht zufolge bei einem „Blood & Honour“-Aktivisten in der Schweiz.


Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung dieses Beitrag haben wir die Angeklagten als „mutmaßliche“ Rechtsextremisten bezeichnet. Angesichts der persönlichen Vorgeschichte des Älteren und der Recherchen von „Report München“ haben wir diese Einschränkung entfernt.